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ANJA VORMANN / GUNNAR FRIEL




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THE DOORS

Eigentlich ist es ganz einfach: Anja Vormann und Gunnar Friel werden im Jahr 2002 eingeladen, im hohen Ausstellungsraum des Kulturbahnhof Eller in Düsseldorf eine Ausstellung zu entwickeln, und der Raum selbst mit all seinen Besonderheiten, seinen drei Ein- und Durchgängen zu den angrenzenden Räumen, ist der Kern ihrer Arbeit. Während des dreimonatigen, sommerlichen Atelierstipendiums untersuchen sie diesen Ort, seine architektonischen Eigenheiten und die wenigen Einbauten, die den ehemaligen Wartesaal des Regionalbahnhofs von einem Raum unterscheiden, der von Beginn an nur zu dem Zweck gebaut wurde, für Ausstellungen einen perfekten white cube abzugeben.

Die Abbildungen im Katalog zeigen, mit welchen Eingriffen der Raum verändert wird: Die drei in Bedeutung und Größe nicht klar hierarchisch abgestuften Durchgänge – die Öffnung, durch die der Besucher vom winzigen Vestibül her eintritt, ist bedeutend kleiner als die Öffnung zu dem angrenzenden zweiten Ausstellungsraum – werden durch eine mimetisch exakte Wiederholung des Wandabschnitts neben dem jeweiligen Durchgang verengt. Wie eine Schiebetür kommt ein Wandstück mit Türrahmen aus sich selbst heraus. Weil alle Durchgänge verschieden hoch sind und eine unterschiedlich breite Öffnung frei lassen, beschleicht den Eintretenden das Gefühl, die Wände des sonst leeren Raumes könnten sich bewegen und langsam den Spalt zum Durchschlüpfen verengen, bis sogar das Durchzwängen mit seitlich gedrehtem Körper unmöglich wird und den Kunstbesucher zum Eingeschlossenen im »enchanted house« macht.

Jeppe Hein hat diesen Effekt mit seinen „moving walls” in der Ausstellung „I promise its political” im Kölner Museum Ludwig tatsächlich realisiert, wo eine fast die ganze Breite des Ausstellungssaales raumhoch verlaufende, sich langsam bewegende Wand den Zugang in den hinteren Ausstellungsbereich abwechselnd rechts oder links einschränkte. Das Konzept von THE DOORS ist umfassender, weil es den Raum in seiner Ganzheit verändert und das Gefühl hervorruft, der Raum, oder sogar das ganze Gebäude, wäre ein Lebewesen, das auf seine Umgebung und auf Besucher regieren könne.

Im zweiten Raum läuft ein Video als Loop, das diesen Eindruck noch verstärkt. Es zeigt die Umgebung des unmittelbar neben den Gleisen frei stehenden Bahnhofs in einer kreisenden Bewegung, immer das Gebäude im Rücken, als würde das Haus (oder der Raum als dessen Zentrum) seine Nachbarschaft überwachen, um überraschende Veränderungen kontrollieren zu können. Ein in regelmäßigen Abständen vertikal durch das Bild laufender weißer Balken, der wie das Nachjustieren einer rotierenden Optik wirkt, unterstützt diesen technoiden Eindruck. Der Balken ist eine subjektive Einfügung; die unterschiedlichen Geschwindigkeiten des Kameraschwenks und der Bewegung des hellen Strichs steigern die Dynamik erheblich. Der Eindruck von Überwachung ist jedoch nicht so massiv und unheimlich wie in einem Horrorfilm, es handelt sich hier eher um die poetische Möglichkeit, den Dingen ein Eigenleben zuzugestehen.

Dem Wachsen durch Verdopplung oder Zellteilung (aus einer Steckdose werden zwei, zwei Lichtschalter, zwei Feuerlöscher...) als organischem Prinzip steht prinzipiell ein mechanisches gegenüber: das „cut and paste” des Computers, wo Kopieren und Einfügen oder endloses Nebeneinanderstellen ohne die geringsten Veränderungen blitzschnell ablaufen. Die Arbeitsweise von Vormann und Friel ist eher organisch: Trotz aller handwerklichen Raffinesse und der grossen Präzision in der Ausführung, trotz der Suche nach gleichen Materialien bleiben ihre Einbauten als solche kenntlich, nicht nur durch ihre Platzierung.
Es sind eben keine mechanischen Reproduktionen von Wandausschnitten, die identisch wiederholt werden, denn mindestens an den Grenzen, an den Übergängen von bleibender zu temporärer Architektur sind immer wieder subjektive künstlerische Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel wie und wo ein Stromkabel endet. Spätestens beim Durchzwängen in die hinteren Räume, wo sich Büros und Toiletten befinden und wegen des schmalen Spaltes Körperkontakt nicht zu vermeiden ist, wird die Materialität direkt auf die Probe gestellt. Alles ist solide gebaut, nichts wackelt und doch merkt man, dass das Wandstück hohl ist und nicht gemauert wurde; es bleibt eine Ausstellung mit begrenzter Laufzeit.

Das Wiederholen vorgefundener Strukturen wie in der Düsseldorfer Ausstellung »HELL-GRUEN«, ebenfalls aus dem Jahr 2002, für die Anja Vormann und Gunnar Friel den eleganten Schwung eines Spazierweges aufnahmen, verdoppelten und mitten in der Wiese im Nichts enden ließen, oder das Vervielfältigen eines Telefons in der Mannheimer Kunsthalle 2003 (die Installation sieht aus wie ein Schaubild für den Vorgang des Klonens), variiert das Arbeitsprinzip der Ausstellung im Eller Bahnhof.
Im sterilen Untergeschoss der Mannheimer Kunsthalle hing das angeschlossene Telefon in einer ganzen Traube von toten Apparaten, was bei Anrufen für hektische Szenen durch die Aufsicht sorgte. Weitere Veränderungen für diesen Ort wurden bisher nur im Rechner visualisiert und durch seinen funktionalen Ausbau stellt der lang gezogene Ausstellungsraum in der Kunsthalle eine ganz anders geartete künstlerische Herausforderung dar als das Gebäude in Eller. In Düsseldorf konnte THE DOORS, durch die Einbeziehung der Umgebung des Bahnhofs und das besondere Ambiente der ursprünglich nicht als Ort der Kunst geplanten Architektur, zu einer lebendigen, vielleicht sogar lebenden Arbeit werden.

Georg Elben




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THE DOORS

Actually it‘s quite simple: Anja Vormann and Gunnar Friel are invited in 2002 to develop an exhibition in the high-ceilinged space of Kulturbahnhof Eller (Cultural Station Eller). The room itself, with all its peculiarities, its three entrances and connecting doors to adjoining rooms, becomes the central focus of the work. During the three-month summer studio-scholarship they explore the space, its architectural idiosyncrasies, and the few fixtures which distinguish the former waiting room of the regional train station from a purpose built exhibition space in the style of a perfect white cube.

The images in the catalogue show the interventions with which the space was transformed: the three doors which have no clear hierarchy of importance or size – the opening though which the visitor enters from the tiny vestibule is considerably smaller than the opening into the adjoining second room of the exhibition space – were made narrower by an exact replica of the section of wall immediately next to each doorway. A section of wall with a doorframe protruded out of itself like a sliding door. Because the remaining openings were of both varying height and width the viewer, on entering the space, was overcome by the feeling that the walls of the otherwise empty room could move - the gap which had been left to slip through could slowly close making it impossible to get through even by turning sideways thus leaving the visitor entrapped in an “enchanted house”.

It was just this effect that Jeppe Hein realised in his work ”moving walls” in the exhibition ”I promise its political” in the Museum Ludwig in Cologne. A slowly moving wall as high as the ceiling and running almost the whole width of the space restricted access in the back area of the exhibition alternately from the left and the right. The concept of THE DOORS however is more comprehensive. It changed the space in its entirety by eliciting the feeling that the room, or even the whole building, could be a living organism, which can react to both its surroundings and visitors.

This impression was reinforced by the video which was played in the second room. It showed the surroundings of the railway station, a free-standing building situated directly next to the tracks, in a circling movement. With the building always behind the viewer it was as if the house (or the room as its centre) was keeping its neighbourhood under surveillance in order to control any unexpected changes. A white stripe, which ran vertically at regular intervals through the image, as if it were the readjustment of a rotating camera, emphasised this technical effect. The stripe is a subjective addition; the varying speed of the camera pan and the movement of the light-coloured line heighten the dynamics considerably. The impression of surveillance here however, is not as intense and uncanny as in a horror film, rather it touches on the poetic potential of allowing things to take on a life of their own.

Propagation by duplication or by cell division (where there was only one before there are now two plugs, two light switches, two fire extinguishers …) as an organic principle is juxtaposed with a mechanical one: the function of ”cut and paste” on the computer where copying and inserting, or the endless stringing together of image or text, is implemented at lightning speed and without the smallest deviation. The working method of Vormann and Friel is more organic: despite the skilled subtlety and the great precision in the execution and despite the search for identical materials the additions they make to the space remain recognisable as such, but not only because of their positioning in the space. They are simply not mechanical reproductions of sections of the wall that are repeated identically, because at least at the transition, at the point where permanent and temporary architecture joins, subjective artistic decisions must be met e.g. where and how does the power cable end. At the latest the materiality is put to the test while we are squeezing through into the back rooms, where the offices and toilets are located, and where the opening is so narrow that bodily contact cannot be avoided. Everything is solidly built, nothing wobbles and yet it is noticeable that this section of wall is hollow and not solid brick; it remains an exhibition with a limited life span.

The repetition of existing structures such as in the 2002 exhibition ”hell-gruen” in Düsseldorf, for which Anja Vormann and Gunnar Friel copied the elegant curve of a path and reproduced it so that it lead nowhere but into the middle of a meadow, or the duplication of a telephone in the Kunsthalle Mannheim in 2003 (the installation looks like a diagram for the process of cloning) are variations of the working principle of the exhibition in the Kulturbahnhof Eller. The real, connected telephone hung amidst a cluster of non-functioning telephones on the sterile ground floor of the Kunsthalle, which caused hectic scenes among the exhibition staff each time the telephone rang. Further changes to this space have, to date, only been carried out in the computer, and the functional architecture of the elongated exhibition space of the Kunsthalle poses a quite different artistic challenge to that of the building in Eller. By incorporating the surroundings of the station and the particular ambience of the architecture, originally not a place for exhibiting art, THE DOORS in Düsseldorf became a lively, maybe even living work.

Georg Elben